Die St. Stephanus Kirche zu Leinstetten
Mit einem Zitat aus dem Buch „Sehen und Entdecken im Kreis Rottweil“ von Egon Rieble, möchten wir die Besucher unserer Pfarrkirche in deren Geschichte einführen:
„Kunstwerke von Rang beheimatet die katholische Pfarrkirche „St. Stephanus“ in Leinstetten, die einer der Höhepunkte der Fahrt durch das Tal der Glatt darstellt“.
Die spätgotische Kirche aus dem Jahre 1558 erfuhr im Jahre 1948 eine Erweiterung. Seither steht der Chor der ursprünglichen Kirche, von der auch noch der Turm erhalten blieb, quer. Dieser Chor ist es auch, dem unsere besondere Aufmerksamkeit gilt. Sein Glanzstück ist ein Flügelaltar mit einer noch aus der Romanik stammenden Madonna, die bei der Erweiterung durch zwei „den Rosenkranz haltende Engel“ ergänzt wurde.
Laut dem „Schenkungsbuch des Klosters Reichenbach“ wurde bereits im Jahre 1100 von einem Gotteshaus an eben dieser Stelle berichtet. Finanzielle Unterstützung bekam diese Kirche 1435 durch eine größere Stiftung der ortsansässigen adeligen Menloch, Stephan und Hans von Leinstetten. Nach damaligem Recht hatte der Ortsadel immer das Patronatsrecht. Als sich Hans Marx II. von Bubenhofen nach dem frühen Tod seiner Frau Katharina geb. von Rechberg zur Wallfahrt nach Santiago de Compostella aufmachte, stiftete er in einem großzügigen Testament zur „Heiligenpflege“ 1000 Gulden und für das Spital 6000 Gulden, wobei vom ersten Jahreszins in Höhe von 300 Gulden die Kirche erweitert und ein Jakobusaltar errichtet werden sollte. Rechts vom Marienaltar findet man das Epitaph für die Eheleute Hans Marx II. und Katharina von Rechberg, da Hans Marx II. von Bubenhofen auf dieser Pilgerreise verstarb.
1558 wurde der Grundstein für die Kirche gelegt und 1569 das neuerbaute Gotteshaus eingeweiht. Jahreszahl und Wappen wurden am alten, nach Süden gelegenen Haupteingang sowie dem damaligen Seiteneingang zur Kirche, der Tür zur Sakristei, verewigt.
Nach 3 Jahrhunderten wurde die Kirche zu klein, mehrere Vorschläge zur Kirchenerweiterung konnten nicht realisiert werden und auch die Kriege des 20igsten Jahrhunderts verhinderten die Pläne.
Erst 1946, unter Bischof Sproll, wurde eine neue, die jetzt bestehende Kirche, von Architekt Schilling aus Rottenburg geplant und während der Amtszeit von Pfarrer Anton Schmid bis 1948 errichtet. Damit das kleine Kirchenschiff des alten Kirchleins weiterhin mitbenutzt werden konnte, wurde der Querbau des neuen Kirchenschiffes an die Südseite des alten Kirchleins angebaut; der Chor der alten Kirche dient jetzt als Marienkapelle. Diese Baumaßnahme direkt nach Kriegsende war ein Mammutprojekt für das Dorf und seine Bewohner und jeder musste Opfer bringen in Form von Naturalien oder Arbeitseinsatz.
1985/1986 erfolgte die Sanierung und Renovierung des Kirchenraumes mit einem Aufwand von über einer Million Mark. In mehreren Bauabschnitten wurden neue Buntglasfenster von Hermann Geyer aus Ulm gestaltet und eingebaut, und im Chor, nach den neuen Vorschriften des Konzils, durch einen Altar mit Ambo sowie später einer neuen Orgel vervollständigt.
Das „Chorbild“, im Zentrum der Kirche, ein „Gnadenstuhl“, wurde 1948 von dem Kunstmaler Albert Klaiber aus Stuttgart gemalt und stellt neben der Dreifaltigkeit auf der linken Seite die Mutter Jesus dar mit der hl. Elisabeth und hl. Agnes und rechts den Patron der Kirche, den hl. Stephanus, sowie Johannes Evangelist und Johannes den Täufer. Zu Füßen des „Gnadenstuhles“ malte der Künstler neben den Engeln die vom Krieg gezeichnete Dorfbevölkerung.
Altar, Tabernakel und Ambo sind Werke des Bildhauers Joachim Hoppe aus München. Der Tabernakel stellt symbolhaft einen Kelch dar, der diesen gleich einer „Quelle der Gnade“ umschließt. Den Weinstock Jesu oder die „Wurzel Jesse“ zeigt das Lesepult, – der Ambo – von dem das Wort des Evangeliums ausgeht. Der Altar und der Altartisch sind aus hellem Juragestein und der Tisch symbolisiert ein Mühlrad.
Ein kleiner Rundgang durch die Kirche gibt weitere Einblicke in ihren künstlerischen Wert und ihre Vielseitigkeit. Gleich links neben dem Haupteingang ist eine kleine Kostbarkeit: ein um 1780 entstandenes Gemälde des Hl. Nepomuk, das im unteren Teil den Prager Brückensturz in die Moldau zeigt. Amüsant ist, dass dem Heiligen nicht sein Birett vom Kopf ins Wasser vorausfällt, sondern sein Heiligenschein mit 5 Sternen.
Die romanische „Wallfahrtsmadonna“ steht als Glanzstück des Flügelaltares und ist Mittelpunkt in der Marienkapelle, dem früheren Chor der alten Kirche. Der Flügelaltar enthält aus den Beständen des Diözesan-Museums einen gotischen Schrein und Kopien der bekannten Altarflügel von Albrecht Dürer mit Darstellungen aus dem Leben Mariens. Diese Madonna wurde 1793 aus der damaligen Wallfahrtskirche in Unterbrändi nach Leinstetten übertragen und stammt laut dem Chronisten Pfarrer Köhler vermutlich aus der früheren Marienkirche in Marschalkenzimmern. Mittelteil mit Engel und Rosenkranz stammen aus dem Jahre 1948 und wurden von dem Bildhauer Carl Eisele, der auch die Eingangstüre mit den 4 Evangelisten erschuf, gestaltet.
Die neugotischen Fenster im Kapellenchor wurden 1902, anlässlich der Hochzeit von Albrecht Freiherr von Podewils mit Gabriele geborene Freiin von Münch, von der „Patronatsfamilie“ gestiftet.. An der Decke befindet sich ein hölzernes Gedächtniswappen an Hans Caspar von Bubenhofen von 1450. Die schönen Steinepitaphe verweisen auf den Stifter der heute noch existierenden Spitalstiftung und andere Mitglieder der Familien von Bubenhofen.
Ein Anfang des 18. Jahrhunderts entstandenes Bild aus einem Rosenkranzaltar ist auf der linken Seite der Kirche zu bewundern. Es stammt vermutlich aus einer -Dominikanerkirche- und stellt den hl. Dominikus mit der Kirchenlehrerin Katharina von Siena dar, wie sie von der Muttergottes den Rosenkranz empfangen. In der Mitte der Beiden ist ein Hund mit einer Fackel dargestellt, der auf den Predigerorden des hl. Dominikus verweist. Diese vielen Darstellungen des Rosenkranzes und der Madonna weisen darauf hin, dass im Ort früher eine „Rosenkranzbruderschaft“ lebendig war.
Das im 18. Jahrhundert entstandene Bild die „Geiselung Jesu“ auf der rechten Seite ist in einem sehr dunklen Farbton gehalten. An einem linken Pfeiler ist vom früheren Jakobusaltar die Holzfigur des Apostels Jakobus dem Älteren erhalten und auf dem gegenüberliegenden rechten Pfeiler steht die Figur des Kardinal Karl Borromäus. An den Seitenwänden befinden sich die 14 Holzreliefs des Kreuzweges.
Die neuen Kirchenfenster des Kunstmalers Hermann Geyer aus Ulm stellen im linken Kirchenschiff die Wunder Jesu (Totenerweckung, Brotvermehrung, Weinwunder zu Kanaa) und auf der rechten Seite verschiedene Gleichnisse von Jesu (barmherziger Samariter, verlorener Sohn, die 10 Jungfrauen, Sämann, armer Lazarus) dar. Das Fenster über dem Westeingang erzählt vom Wirken und Sterben des Kirchenpatrons St. Stephanus und zeigt im unteren Teil die 14 Nothelfer. Am unteren Rand der Fenster ist das Wappen der Stifter, der Familien von Podewils, eingefügt. Über der Orgel nimmt ein Betonglasfenster Bezug zu Leinstetten, das Heimbach- und Glatttal.
Autor: Fritz Peter
Veröffentlicht am: 08. Juni 2018