Fritz Peter und Prof. Dr. Werner Mezger zu Gast bei der Narrenzunft – Gesichter und Geschichte der schwäbisch-alemannischen Fasnet

Vortrag von Prof. Dr. Werner Mezger und Historiker Fritz Peter zum Auftakt des 50jährigen Jubiläums der Narrenzunft Leinstetten e.V. (24. bis 26. Januar 2025)

Zunftmeister Patrick Günthner begrüßte zu dieser besonderen Veranstaltung im voll besetzten Bürgerhaus, Bürgermeister Markus Huber, Ortsvorsteher Georg Bronner mit Partnerin Karin, Oberzunftmeister Franz Kern von der freien Narrenvereinigung Waldgau, Ringpräsident Achim Seepold, vom Narrenring oberer Neckar sowie die ehemaligen Zunftmeister.

Des weiteren Ehrenzunftmeister Fritz Peter, welcher die Einführung über die Entstehung der Leinstetter Fasnet gehalten hatte. Ganz besonders freute es Zunftmeister Günthner, daß die Narrenzunft Leinstetten Herrn Professor Dr. Werner Mezger, einen der profiliertesten Kenner der schwäbisch alemannischen Fasnet, als Referenten gewinnen konnte.

Wie alles begann: vor mehr als 100 Jahren…
Heimathistoriker und Ehrenzunftmeister Fritz Peter konnte auf eine lange Tradition der Fasnet in Leinstetten zurückblicken. Als junger und ehemaliger Bürgermeister von Leinstetten griff er die Werte der Fasnet wieder auf und engagierte sich für den Erhalt und einen Neubeginn dieser alten Gebräuche.

Alte Fotos, welche er bekam, zeigten Aufnahmen aus dem Jahre 1912 vor dem Gasthaus Hirsch in Bettenhausen sowie Fotos aus dem Jahre 1948, aufgenommen vom damaligen Pfarrer Schmid aus Leinstetten.
In den 1960 iger Jahren gab es in Leinstetten nur kleine Straßenumzüge durch Jugendliche, eine Saalfasnacht mit Tanz in der Linde und im Adler, sowie verschiedene Vereinsveranstaltungen.

Schon in einem Archivbericht von 1860 wird berichtet: “Am Fasnetsmontag in der Frühe ritten die Fasnetsausrufer durch den „Flecken“ und luden zur Fasnet ein. Ebenso waren die Narren, vor allem Kinder zeitig unterwegs, um Schmalz, Eier, Speck und auch ein bisschen Geld zu sammeln.”

Zur Volksbelustigung tummelten sich etliche Narren mit Affenmasken auf den Straßen. Es gab ein Fasnetsspiel. Der Hanswurst predigte über die Streiche und Fehler der Einwohner und diese Vergehen wurden jeweils vor den Häusern der Delinquenten nachgespielt. Da Fasnachtstänze verboten waren, wurde die schräge Katzenmusik erfunden. Am Aschermittwoch gehörten die Geldbeutelwäsche und das Fasnachtsvergraben schon damals und wie auch noch heute, zum Ablauf der Dorffasnet.

Vereinsgründung 1974
1972/73 wurde der Wunsch von Lothar und Hubert Bronner sowie Peter Saile auf Gründung einer eigenen Organisation immer größer. Um für einen Umzug alle Kriterien zu erfüllen, musste ein Verein gegründet werden, vor allem wegen der Haftpflichtversicherung.

Am 10. November 1974 fand im Gasthof Adler die Gründungsversammlung statt. An die hundert Personen fanden sich dazu ein und zum Vorstand gehörten damals als 1. Vorstand Fritz Peter und Bernd Glück, Georg Hettlich. Peter Saile, Franz Günthner, Hubert und Lothar Bronner sowie Richard und Erika Kipp waren weitere Vorstandsmitglieder.

Das erste Häs
Der alte Brauch des Strohbären und seiner Treiber war Grundlage zur Gestaltung eines Fellbären mit Maske und dazu gehörte aber auch ein Treiber. Nicht ganz angenehm für die Bären war anfangs die Maske aus Plastik. Die Treiber hatten jedoch noch keine Maske und der Kittel der Treiber wurde nach einem Entwurf von Fritz Peter mit der Ruine Lichtenfels und Leinstetter Wappen bemalt.

Lothar Bronner und Peter Saile kümmerten sich um den Elferrat (wobei man in Leinstetten von Anfang an Schwierigkeiten hatte, 11 Personen dafür zusammen zu bekommen). Annemarie Nikol konnte11 grüne Samtumhänge nähen und dazu wurden am Anfang Narrenmützen nach rheinischer Art getragen. Der gesamte Narrenrat fuhr in den Umzügen traditionsgemäß auf einem Narrenschiff.

Der Bär nimmt Form an
Nach dem erfolgreichen eigenen Start an der Fasnet 1974 wurde am 10.11.1974 nach der Gründungsversammlung und dem spontanen Beitritt von über 100 Personen, eine aus Lindenholz geschnitzte Bärenmaske und Treibermaske bei Holzschnitzer Helmut Schneider in Schiltach in Auftrag gegeben. Beides fiel hervorragend aus. Über die Firma Steiff, Gingen/Brenz, konnte von der Firma Gruber in Tübingen ein hervorragendes Fell für die Bären besorgt werden.

Bereits an der Fasnet 1975 waren die ersten Maskenträger der Bären und Treibergruppe die Sensation. Waren doch die Leinstetter mit Bär und Treiber im Bereich der Weißnarren der weiteren und näheren Umgebung nicht nur sehr schön – sondern eine Besonderheit.

Die Anfangszeit: Bürgerball und Glatteratatsch
Zusammen mit dem Musikverein gestalte der junge Verein im Lindensaal Fasnetsbälle. Bei diesen so genannten “Bürgerbällen” saß auf der Bühne im Hintergrund der Elferrat. Davon nahm man aber schnell Abstand und ab 1976 wurden die Fasnetsbälle nach Motto, mit entsprechend gestalteter Bühne, aufgeführt. Das erste Motto war die “Schwäbische Eisenbahn“.

Mit dem „Glatteratatsch” wurde 1975 ein eigenes Fasnetsblättle geschaffen, das sich noch heute großer Beliebtheit erfreut und von den Narren bei Hausbesuchen 2 Wochen vor der eigentlichen Fasnet verkauft wird.

1977 wurde nach den ersten erfolgreichen Jahren der Verein in “Narrenzunft Leinstetten e.V.” umbenannt und neben dem Zunftmeister Fritz Peter wurde der Beirat durch einen gewählten Narrenrat umfirmiert. Peter Bronner war der erste Gruppenführer der Bären und Treiber.

Ein neues Häs wird angeschafft
1981 kam der nächste größere Schritt. Mit Jürgen Hohl von der Schwäbisch-Alemannischen Narrenvereinigung wurde die Umgestaltung von Bär und Treiber durchgezogen und dieser erstellte einen tollen Entwurf für ein Narrenratshäs, das erst 12 Jahre später verwirklicht werden konnte.
Zum 10-jährigen Jubiläum 1984 konnte es sich der Narrenrat finanziell leisten, ein neues Häs von der Firma Fischer, Schweighausen, mit Jacken in den Zunftfarben rot und grün sowie einer weißen Fellmütze zu erwerben. Heute führt der Musikverein diese Jacken als Narrenkapelle weiter.

Vortrag von Fritz Peter am 28.09.2024 zum Auftakt des 50jährigen Jubiläums der Narrenzunft Leinstetten

Werner Mezger erzählt über Gesichter und Geschichte der schwäbisch-alemannischen Fasnet ..
Nach einer kurzen Pause führte Prof. Dr. Werner Mezger die Zuhörer in die interessante Geschichte der schwäbisch-alemannischen Fasnet.
Die Ausführungen, untermalt mit vielen historischen und aktuellen Bildern, gingen vom Spätmittelalter bis in die heutige Zeit.

.. und das Brauchtum
Nicht nur Vergnügen und Spaß war die Fasnet in ihrer Vielfalt, sie unterlag vielmehr festen Formen und strengen Regeln. Eine große Rolle in der Geschichte spielten dabei die Figuren des Narr und des Teufels und auch der Tod war in vielen bildlichen Darstellungen präsent.

Kirchliche Feste und Fasnacht zeigen oft Ähnlichkeiten. Das Brauchtum der Fasnet erlitt im Zeitalter der Reformation eine Krise, aber es kam zum erneuten Aufstieg in der Zeit des Barocks. 1842 begannen sich die alten Formen der Fasnet wieder zu beleben und es gab eine neue Art zu feiern durch die romantische Umgestaltung zum Karneval. Der Unterschied zum Karneval und zwischen der schwäbisch-alemannischen Fasnet liegt in der Art zu feiern und auch in den Masken und Kostümen.

Während beim Karneval bei der Maskierung die Personen zu erkennen sind, verdecken die holzgeschnitzten Masken die Träger und weisen oft barocke Züge auf. Bei den Prunksitzungen des Karnevals werden Reden in der „Bütt“ gehalten, bei der schwäbisch- alemannischen Fasnet spezielle Geschehen dargestellt.

Werner Mezger zog die Zuhörer mit seinen Ausführungen, seiner Begeisterung für die vielfältige Art des Brauchtums in den Bann und sagte, Fasnacht ist Kulturgeschichte und ein Stück kulturelles Kapital.

Mit großem Beifall bedankte sich das Publikum für diesen großartigen und spannenden Vortrag, welcher in unbekannte Welten der Geschichte der Fasnet führte.

Im Anschluss gab es noch viele Diskussionen und ein Büfett, welches von den Mitgliedern der Narrenzunft vorbereitet wurde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Don`t copy text!