100 Jahre Wasserkraftwerk in Bettenhausen

Samstag, 24. Juni 2023: Bei herrlichem Wetter begann am Samstagabend der gemütliche “Hock” im Festzelt in Bettenhausen.

Ortsvorsteher Peter Saile begrüßte Bürgermeister Markus Huber und seine Gattin, erster Landesbeamter beim Landratsamt Rottweil, Hermann Kopp und viele Gäste aus Bettenhausen, Leinstetten und Nah und Fern.

Um 19.30  begann Fritz Peter, früher Bürgermeister von Bettenhausen und Leinstetten, nunmehr Historiker und Forscher, seinen Vortrag. Akribisch hat Fritz Peter aus Zeitungen und Dokumenten  von damals eine Menge Informationen zusammentragen können.

Während der Zeit des Kraftwerkbaus 1919 herrschte im Lande bittere Armut,  nach dem 1. Weltkrieg eine große Arbeitslosigkeit und dramatische Geldentwertung.

Der Bau war für alle ein Segen und so kamen viele Arbeiter aus dem Glatttal und den umliegenden Gemeinden, um hier beim Bau Geld verdienen zu können.

Durch den Kohlemangel machten sich im Jahre 1919 die 4 Oberämter Freudenstadt, Horb, Oberndorf und Sulz daran, die Versorgung durch Wasserkraft im Verbandsgebiet zu sichern. Der Bezirksverband Heimbachkraftwerk wurde gegründet. Eine Vorbesprechung fand im gleichen Jahre in Sulz mit Vertretern des Innenministeriums statt. Die Genehmigung der Satzung erfolgte am 29.2.1920, denn die Zeit drängte.

Drei Bauabschnitte waren zunächst geplant mit Ausnützung der Wasserkräfte der umliegenden Bäche, jedoch konnte nur der erste  Bauabschnitt aus Kostengründen verwirklicht werden. Beim ersten Bauabschnitt war vorgesehen, das Staubecken im Heimbach für die Glatt und Lauter mit Zuführung von Wasser aus dem Gaisbach und Mühlbach zu verwirklichen.

Weiter das Wasserkraftwerk in Bettenhausen wegen größerer Fallhöhe zur Stromgewinnung. In Glatten ein Wehr mit offenem Kanal zur Lauter mit einem weiteren Wehr und einem 6.2 km langen Stollen zur Talsperre. Ein weiterer Druckstollen mit 2.8 km Länge nach Bettenhausen wurde geplant.

Der Bau der  Heimbachsperre selbst mit einer Staumauer von 12 m Höhe, einer Länge von 500 m  und einem Wasservolumen von 158 000 cbm, war eine Herausforderung, die den bauausführenden Arbeitern damals eine immense Kraft abverlangte. Die meisten Arbeiten mussten in Handarbeit und unter schweren Bedingungen durchgeführt werden. Eine Pionierarbeit in höchstem Maße.

Die Planung des Krafthauses, Gebäude und Trafostationen erfolgte durch den damals bekannten Architekten Hans Herkommer (1887-1956) aus Stuttgart. Die Bauleitung der Stollen und der technischen Anlagen wurde von Regierungsbaumeister Emil Haußmann aus Stuttgart durchgeführt.

Beteiligte Firmen waren damals unter anderem,  Siemens Bauunion Berlin, Wasser und Tiefbau Karl Kübler, Stuttgart, Weber, Hochbau Rottweil, Voith Heidenheim, Turbinenbau und viele mehr.

Nach der Beschlussfassung zum Bau im Dezember 1920, erfolgte am 13. Mai 1921 die Einrichtung der Baustelle. Nach Pfingsten begann die  Schichtarbeit und der Vortrieb der Stollen. Februar 22 Stollendurchstich vom Lautertal – Böffingen und Sperrmauer Dirnenbach. Im März waren zwei Drittel der Stollen gebohrt.  April 22, beim Krafthaus in Bettenhausen ist die Sohle auf Fels erreicht.

Mitte April erfolgte der dritte Stollendurchschlag.

1.  Juni 22, in einer Wirtschaft in Leinstetten streiten sich italienische Bauarbeiter, einer wurde bei einem Schusswechsel verletzt und wurde im Krankenhaus in Dornhan behandelt.

Eine weitere nette Begebenheit  aus der Zeit war ein Lied der italienischen Arbeiter mit dem Text “Antiwola, Leschamonga”, welches Bernhard Bronner, ehemaliger Feuerwehrkommandant und Besitzer des Museums “Alt Leinstetten” oft vorgetragen hatte. Dieses Lied wurde von damaligen Arbeitern aus Bettenhausen und Leinstetten überliefert. Der Text konnte jedoch nie übersetzt werden und keiner wusste genau, was er zu bedeuten hatte.

Mitte Juni sucht die Baufirma Kübler, Rottweil 40 Bauhilfsarbeiter und 20 Maurer.

Nunmehr ist im Juni der Heimbachstollen auf eine Länge von 1500 m mit der einpferdigen Dreh- und Kurbelstoßmaschine der Firma Siemens fertig. Die Entwässerung erfolgt durch elektrische Schraubpumpen.

Weitere Verbandsversammlung, in welcher auf eine kürzere Bauzeit gedrängt wird, die Kosten stiegen durch die Inflation in der Zwischenzeit um 200 bis 300 Prozent

Zu bemerken ist weiter, daß für den Bau des Krafthauses und weiteren Bauten Tuffsteine aus einem Steinbruch in Leinstetten verwendet wurden. Ca. 15 000 cbm Tuffstein wurden hierbei benötigt.

Für den Bau der  Staumauer der Heimbachsperre wurde ebenfalls aus einem Roten- Buntsandstein-Steinbruch in Leinstetten das erforderliche Material geholt.

Am 6. März 1923 startete der Vollbetrieb des Kraftwerks. Dazu war in der damaligen Schwarzwaldzeitung “Der Grenzer” folgendes zu lesen:

“Nach dem das Heimbachkraftwerk fertig gestellt und in Betrieb genommen wurde, fand am letzten Freitag eine längst geplante und wegen Ungunst der Witterung immer wieder hinausgeschobene Besichtigung durch 15 Vertreter der Presse statt, unter Führung von Oberamtmann Knapp, dem technischen Direktor Zipplis und Regierungsbaumeister Haußmann dem Urheber der Pläne und Schöpfer des groß angelegten, in seiner Vollendung der Bewunderung würdigen Werks”.

Die Berliner Illustrierte Zeitung schrieb dazu am 12. Juni 1923:  “Wasser statt Kohle, die große Turbinenanlage des neuen Wasserkraftwerks in Bettenhausen am Ostabhang des Schwarzwalds, das die Wasser fünf kleiner, nur auf Spezialkarten verzeichneter Bäche ausnutzt. Ein neues Wasserkraftwerk in Württemberg, das 120 Gemeinden mit Elektrizität versorgt und sie von der Kohlezufuhr unabhängig macht.”

Was für eine großartige Pionierleistung in der  damaligen Zeit. Fritz Peter zeigt in seinem Vortrag viele Fotos vom Bau selbst, Karten der Baumaßnahme mit Verlauf der Schächte, Stollen und aller Bauwerke.

Bis Mitte 1980 wurde die Werksleitung übernommen von Wilhelm Zeller, Heinrich Eisele, Albert Bronner, Ernst Wößner und Adolf Burkhardt. Das Werk wurde 24 Stunden rund um die Uhr betreut.

Wilhelm Zeller verstarb vor kurzem im Alter von 94 Jahren.

Großer Beifall fand dieser hoch interessante Vortrag von Fritz Peter, der einen unschätzbaren Einblick in die Geschichte dieses Bauwerks gab.

Zum Schluss bedankten sich Ortsvorsteher Peter Saile, Melanie Alt vom Förderverein “Schwimmbad Glatttal” sowie Vorsitzender Marco Schwarz von den “Schnecken Bettenhausen”, für diese tolle Information mit einem Präsent.

Sonntag 25. Juni 2023: Festakt zur 100 Jahrfeier, Besichtigungen des Kraftwerks mit Führung, Unterhaltung mit Musikvereinen sowie Bewirtung im Zelt.

Ortsvorsteher Peter Saile eröffnete den zweiten Tag zum 100 jährigen Bestehen des Wasserkraftwerks Bettenhausen  und begrüßte Bürgermeister Markus Huber mit Gattin und die anwesenden Festgäste. Nach einem kurzen Überblick über den Verlauf des Tages mit Führungen im Kraftwerk, übergab er das weitere Wort an Bürgermeister Markus Huber.

Bürgermeister Markus Huber begrüßte  EnWB Kommunalberater Karsten Lüdke und Stefan Kempf, Leiter des Bereichs Kommunale Beziehungen im Regionalzentrum Heuberg-Bodensee, Tuttlingen.

Sein Gruß galt auch Ortsvorsteher Peter Saile und seinem Vorgänger im Amt in Bettenhausen-Leinstetten Fritz Peter, welcher die Geschichte dieses Bauwerks exzellent aufarbeitete und am Samstag in einem Vortrag präsentierte. Dank ging auch an das Bewirtungsteam, dem Förderverein Schwimmbad Bettenhausen und den “Schnecken”  Bettenhausen, welche für einen angenehmen Tag sorgen würden.

Vor 100 Jahren war Elektrizität ein knappes Gut, so Markus Huber, und der Schlüssel zum Fortschritt, Wohlstand und zur wirtschaftlichen Entwicklung. Es ist heute unvorstellbar, mit welcher Zielstrebigkeit und welchem enormen Einsatz der Bau dieses Wasserkraftwerks angegangen wurde.

Heutzutage ist selbst die einfachste Maßnahme nur schwer durchführbar und dabei fehle auch oft der Gemeinschaftssinn.

Die Feier zu diesem Bestehen ist nicht nur ein Blick in die Vergangenheit, sondern auch ein ehrfürchtiger Blick auf die Vorfahren und deren Weitsicht und Mut, die Region voranzubringen.

Stefan Kempf von der EnWB stellte sich nach der Rede von Markus Huber in kurzen Worten vor und erklärte, daß das Regionalzentrum Heuberg-Bodensee in Tuttlingen eines von 5 in Baden-Württemberg wäre. Dieses deckt ca. 1/5 der von der EnBW versorgten Kommunen in Baden-Württemberg ab.

Der Bereich “Kommunale Beziehungen” diene den Kommunen als erster Ansprechpartner zu allen Belangen und so entstand der Kontakt zu dieser Veranstaltung in Bettenhausen.

Schnell zeigte sich für ihn, daß dieses Kraftwerk in Bettenhausen etwas Besonderes wäre. Nach dem ersten Weltkrieg 1918 führte die Besetzung der damaligen Kohlenreviere durch die Siegermächte zu einer Knappheit an Kohle. In seiner Rede schilderte Stefan Kempf, wie auch Fritz Peter in seinem Vortrag, den unglaublich rasanten Ablauf zum Bau dieses Wasserkraftwerks.

Um 1930 konnte das Kraftwerk als Beispiel,  mit seiner Leistung von 4.200 kW ca. 40.000 Haushalte versorgen. Der Strombedarf war damals noch gering. 2010 konnte man mit derselben Strommenge ca. 2500 Haushalte versorgen.  Ginge es  nach aktuellen Plänen der Bundesregierung (Wärmepumpen und Elektrofahrzeuge), würde der Strombedarf im Jahre 2040 nur noch für ca. 1000 Haushalte ausreichen.

Bei einem Rundgang durch das Kraftwerk erklärten Erich Wunsch und Marc Rotflik den Besuchern ausführlich die Funktionen der Anlage. 4 Francis Turbinen sowie 2 Generatoren sind vorhanden. Die Leistung einer Turbine sind z.B. Schluckfähigkeit 1.34 cbm/sec. mit einer Drehzahl von 850 U/min., Wirkungsgrad 0.8, der Generator bringt an Leistung 850 kVA, Spannung 5000 V und einen Wirkungsgrad von 0.9.

Nach den interessanten Führungen durften sich die zahlreichen Besucher im Zelt mit Essen und Getränken verwöhnen lassen. Zur Unterhaltung gab es Blasmusik vom Feinsten mit der Kooperationskapelle Dornhan-Leinstetten, unter Leitung von Roland Ziegler zum Frühschoppen.

Am Nachmittag unterhielten die Hopfauer Musiker mit ihrem Dirigenten Daniel Schrägle die vielen Gäste, die sich zu diesem Ereignis eingefunden hatten.

Die beiden Tage waren höchst informativ für alle Besucher und Interessierten an einer Technik, welche auch heute noch vielen Belangen entspricht.

 

 

 

 

 

 

 

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