Stuttgart von oben

Unterwegs in der Landeshauptstadt

Dienstag, 10. Mai 2022

“Stuttgart von oben“ – das war mal wieder eine Ansage vom Kameraden Peter aus der Landeshauptstadt. Über Jahre hinweg ist es zur Tradition geworden, dass die DienstagsWanderer zweimal jährlich mit dem Zug nach Stuttgart fahren und dort unter Führung von Peter den Tag verbringen. Nanu, “Stuttgart von oben“, ob es diesmal ein Rundflug wird?

Nein, dem war nicht so. Mit dem Zug, mit der S-Bahn, mit dem Bus und zu Fuß war man unterwegs. Das Metropol-Ticket macht’s möglich. Und das gab es am Fahrkartenautomaten im Bahnhof Horb. Natürlich unter erschwerten Bedingungen, da von 21 Männern mindestens sechs gleichzeitig die Anzeige vorlasen, kommentierten, die Knöpfe drückten, bezahlten, mithalfen und schlussendlich bei der Fahrkartenentnahme fast die Finger verklemmten.

In Stuttgart stand wie gewohnt der Mann mit dem Strohhut am Bahnsteig. Durch seine Größe und seinen Hut war er leicht zu finden zwischen den unzähligen zur Arbeit oder weiß der Geier wohin eilenden Menschen. Nach kurzer Information über den Tagesablauf, Absteckung der Kompetenzen zwischen S21 Hobbybauleiter Bruno und Tourenleiter Peter ging es traditionell zum Küblermetzger, zum Fleischkäsweckle kaufen. Dann mit der S-Bahn nach Feuersee und mit dem Bus 92 zum Birkenkopf.

Fast. Zu Fuß erklomm man durch einen herrlichen Birkenwald, vorbei an duftenden Weißdornhecken, die letzten Höhenmeter hinauf zum Monte Scherbelino, wie Stuttgarts höchster Berg, der Birkenkopf, im Volksmund genannt wird.

Aufstieg zum Monte Scherbeloino

Nach dem zweiten Weltkrieg wurden hier eineinhalb Millionen Tonnen Trümmerschutt abgelagert, der heute als Mahnmal dient. Kreuz und quer liegen die Gesteinsbrocken und Fassadenklötze übereinander, verbunden durch einbetonierte Eisenteile zur Stabilisierung.

Böse Zungen behaupteten, dass dies wegen Lothar gemacht wurde, da er für fast alles Verwendung findet. Er nahm’s gelassen und meinte, das Abtransportieren wäre kein Problem, höchstens die Fahrt auf der Autobahn. Eine Informationstafel zeigte an, was, wo in welcher Richtung zu sehen ist. Der eine Betrachter sah den Lattenberg in Glatten, der andere den Wasserturm in Oberiflingen. Na ja. Wieder andere unterhielten und fachsimpelten mit Mountainbikern und ein Teil der Gruppe saß gemächlich auf den Steinquadern wie die “Jünger am Ölberg“. Dazwischen flitzen zahlreiche Geckos über die sonnenwarmen Buntsandsteine. Ein idealer Lebensraum für diese flinken Kleinreptilien.

Wie die Jünger am Ölberg
Zum Nachdenken

Das Wetter, sowie die Aussicht auf Stuttgart und Umgebung, waren fantastisch. Trotz des denkwürdigen Ortes und der im Moment grausigen Aktualität war die Stimmung unter den Wanderern bestens.

Weiter ging’s, wieder talwärts. Durch einen Laubwald hinüber zur Hasenbergsteige. Peter informierte, dass der Hasenberg als erstklassige Wohnlage Stuttgarts gilt, was auch deutlich an den neuen, alten oder restaurierten Villen zu erkennen war.

Schon immer hieß es: “Wir da oben, ihr da unten“. Oben liegt die aristokratische Hasenbergsteige, unten das Sinnbild des einfachen Volkes, die Hasenbergstraße.

Die Bezeichnung “Steige“ ist auf jeden Fall mehr als berechtigt. Selbst das Abwärtsgehen war anstrengend. Hans empfahl dem Postpaketwagenschieber, wohlgemerkt aufwärts, einen Antriebsmotor,  was der lachend ablehnte. Ein junges Mädchen strampelte unverdrossen ebenfalls bergwärts, ebenfalls ohne Unterstützung. Respekt. Dabei musste sie sich unflätige Kommentare einiger Wanderer anhören. Pfui, das war nicht motivierend.

Auf halbem Wege durfte wieder von einer Plattform an der Steige weit über Stuttgart hinabgeschaut werden, also wieder “Stuttgart von oben“. Ein Zaun verhinderte den Absturz in die Tiefe.

Zaungäste

Weiter. Nachdem man gefühlte 1000 Höhenmeter abgestiegen war und sehnsüchtig, dem Verdursten nahe, auf den versprochenen Biergarten wartete, hieß es plötzlich:„Die Treppe hoch“. Nein, nicht nur 15 Stufen, 4×16 und 4×17 hat Siegfried gezählt.

Endlose Treppen

Da hingen sie dann am Geländer, die Spötter, schweißüberströmt, um Atem ringend, fluchend. Da blieben auch die Bemerkungen nicht aus:„Mir heddet au oba rom kenna, oder seld rom oder do rom“. Aber es half nichts. Nach den endlosen Stufen nochmals ein Anstieg, dann endlich wieder ein Fernblick, “Stuttgart von oben“ und endlich der ersehnte Biergarten. Nur, das Leiden war noch nicht zu Ende. 22 durstige Männer mussten anstehen, mussten zuerst bezahlen, mussten warten bis endlich Bier gezapft wurde. Aber dann saßen sie im traumhaften Biergarten “Karlshöhe“ mit grandiosem Ausblick. Einfach nur herrlich. Alle Anstrengung war vergessen, man hockte gemütlich beobachtend unterm Sonnenschirm zwischen zahlreichen Gästen, junge, ältere und ganz junge. Man genoss in vollen Zügen, das Bier, den Kaffee und besonders die Ruhe. Bis beim Vorbeigehen einer jungen Dame eine Durchsage von Bruno die Stille zerriss:„Dia hot an String-Tanga a, des seh i an d Linien“. „Hosch recht“, antwortete sein Gegenüber Manfred. Aha, also waren die Augen nicht nur auf Aussicht, Fernsicht gestellt. “Stuttgart von oben“, hin oder her. Es wurde höchste Zeit zum Aufbruch. Entspannt und ausgeruht ließ sich Hermann dazu hinreißen, sich bei Peter für seine Meckerei beim Aufstieg zu entschuldigen, was er aber eine halbe Stunde später schon wieder teilweise zurücknahm. Nun ging es durch einen Park hinunter ins verkehrsreiche Gerberviertel. Ob Fußgänger, Radfahrer, Autofahrer oder DienstagsWanderer, alles fuhr, rannte, spazierte oder stolperte an den zahlreichen Geschäften vorbei. Dann endlich in einer Gasse “Nordsee“, ein Fischladen, endlich ein Fischweckle für Bruno. Weiter zur Königsstraße und schnurstracks unaufhaltsam rüber zum Brauhaus. Nach einem oder zwei Dinkelacker wurde es Zeit den Bahnhof anzusteuern. Die Landeier zog es hinaus aus der pulsierenden, schwäbischen Metropole, hinaus aufs Land, ins beschauliche Glatttal, in die Heimat.

Nochmals stürzten sich die DienstagsWanderer ins Getümmel rund um den Hauptbahnhof, nochmals gönnte sich Bruno ein Fischweckle und dann, als Peter die Gruppe auf die gelbe Linie eingestellt hatte, die zum Bahnsteig führte, verabschiedete er sich mit dem Versprechen, “Fortsetzung folgt“.

Da geht’s lang

Hoffentlich, wünschten sich 21 begeisterte DienstagsWanderer.

 

 

 

 

 

 

 

 

Eine Antwort auf „Stuttgart von oben“

  1. Wieder ein toller Bericht, lieber Gerhard, und man konnte so richtig “dabei” sein.
    Freue mich auf Teil 2! Viel Spaß den Dienstagswanderern bei all Euren Unternehmungen!
    Uschi G.

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